Verfahrensinformation



Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich mit seiner Klage gegen eine von dem Beklagten mit Bescheid vom 10. August 2009 der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schweinemast- und Biogasanlage.


Die Vorinstanzen hatten die auf Aufhebung der Genehmigung gerichtete Klage zunächst mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. September 2016 (BVerwG 7 C 1.15) die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Mit Urteil vom 26. Februar 2019 hat das Verwaltungsgericht sodann den Genehmigungsbescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Die anschließende Berufung der Beigeladenen und die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Dezember 2023 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Genehmigung verstoße gegen die habitatschutzrechtlichen Vorschriften. Die durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung und die ihr zugrundeliegende Immissionsprognose genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Maßgebend seien für die Beurteilung der anlagebedingten Stickstoffemissionen das Konzept der Critial Loads und die Anwendung eines vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums von 0,3 kg N/ha/a. Hierbei handele es sich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage, die der gerichtlichen Entscheidungsfindung zugrunde zu legen seien. Zudem habe das Verwaltungsgericht zu Recht die Verletzung der Vorschriften des Biotopschutzes beanstandet. Sämtliche Fehler führten nicht zur Aufhebung der Genehmigung, sondern zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, da die Fehler in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten.


Gegen dieses Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. November 2024 (BVerwG 7 B 10.24) die Revision zugelassen, weil das Revisionsverfahren voraussichtlich zur Klärung der Frage beitragen kann, ob nach der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gewonnene Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage noch von einem Gericht in einem die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung betreffenden Gerichtsverfahren zu Lasten des Anlagenbetreibers berücksichtigt werden können.


Die Beigeladene begehrt mit der Revision die Abweisung der Klage, während der Kläger mit seiner Anschlussrevision die Aufhebung der Genehmigung weiterverfolgt.


Pressemitteilung Nr. 65/2025 vom 12.09.2025

Genehmigung einer Schweinemast- und Biogasanlage rechtswidrig

Werden die für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgebenden Tatsachen - hier bezogen auf die Schädlichkeit von anlagebedingten Stickstoffemissionen - aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nach der Genehmigungserteilung anders bewertet, handelt es sich um eine nachträgliche Änderung der Sachlage, die die Rechtmäßigkeit der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht berührt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern entschieden.


Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich mit seiner Klage gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Schweinemast- und Biosgasanlage mit über 20.000 Tieren im Landkreis Wittenberg. Die Anlage ist zwischenzeitlich errichtet worden und in Betrieb.


Die Vorinstanzen wiesen die auf Aufhebung der Genehmigung gerichtete Klage zunächst als unzulässig ab. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28. September 2016 (BVerwG 7 C 1.15) die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht haben den Genehmigungsbescheid für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Unter Berücksichtigung nach Genehmigungserteilung gewonnener neuer fachlicher Erkenntnisse seien die durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung und die ihr zugrundeliegende Immissionsprognose in Bezug auf die Beurteilung der Schädlichkeit der von der Anlage ausgehenden Stickstoffemissionen in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Auch die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des Biotopschutzes weise Fehler auf. Sämtliche festgestellte Fehler führten nicht zur Aufhebung der Genehmigung, sondern zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, da diese in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten.


Die gegen dieses Urteil von der Beigeladenen eingelegte Revision wie auch die Anschlussrevision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses. Ändert sich die Beurteilung von im Genehmigungszeitpunkt vorhandener Tatsachen aufgrund nach der Genehmigungserteilung entstandener neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, handelt es sich um eine nachträgliche Änderung der Sachlage, die die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung nicht berührt. In diesen Fällen kann die zuständige Behörde nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes nachträgliche Anordnungen oder andere Maßnahmen bis hin zu Widerruf der Genehmigung aussprechen und auf diese Weise den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung tragen.


Soweit die Feststellung weiterer Fehler revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, führen diese - wie vom Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen - nicht zu einer Aufhebung der Genehmigung, da nicht ausgeschlossen ist, dass sie in einem ergänzenden behördlichen Verfahren geheilt werden können. Die Errichtung und der Betrieb der Anlage stehen der Beurteilung der durch die Stickstoffemissionen hervorgerufenen Umweltauswirkungen der Anlage in einem solchen Verfahren nicht entgegen.


BVerwG 7 C 7.24 - Urteil vom 11. September 2025

Vorinstanzen:

VG Halle, VG 8 A 388/18 HAL - Urteil vom 26. Februar 2019 -

OVG Magdeburg, OVG 2 L 74/19 - Urteil vom 19. Dezember 2023 -


Beschluss vom 01.11.2024 -
BVerwG 7 B 10.24ECLI:DE:BVerwG:2024:011124B7B10.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.11.2024 - 7 B 10.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:011124B7B10.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 10.24

  • VG Halle - 26.02.2019 - AZ: 8 A 388/18 HAL
  • OVG Magdeburg - 19.12.2023 - AZ: 2 L 74/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 1. November 2024 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und Dr. Tegethoff beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt über die Nichtzulassung der Revision in seinem Urteil vom 19. Dezember 2023 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Revision ist auf die Beschwerde der Beigeladenen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich zur Klärung der Frage beitragen, ob nach der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gewonnene Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage noch von einem Gericht in einem die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung betreffenden Gerichtsverfahren zu Lasten des Anlagenbetreibers berücksichtigt werden können.

2 Die vorläufige Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 1 i. V. m. Ziff. 1.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und § 63 Abs. 1 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 7 C 7.24 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Urteil vom 11.09.2025 -
BVerwG 7 C 7.24ECLI:DE:BVerwG:2025:110925U7C7.24.0

Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung

Leitsatz:

Eine geänderte Bewertung bei Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung schon vorhandener Tatsachen ist eine nachträgliche Änderung der Sachlage, wenn diese auf neuen fachlichen Erkenntnissen beruht. Eine derartige Änderung der Sachlage berührt die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht und kann nur dann berücksichtigt werden, wenn diese zu Gunsten des Anlagenbetreibers wirkt.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 14
    BImSchG §§ 5, 6, 17, 20, 21
    BNatSchG § 7 Abs. 2 Nr. 4, §§ 30, 34
    NatSchG LSA 2004 §§ 37, 45
    FFH-RL Art. 6 Abs. 3
    TA Luft 2002 Nr. 4.6.1.1
    TA Luft 2021 Nr. 8, Anhang 8 und 9
    VwGO §§ 137, 144 Abs. 2

  • VG Halle - 26.02.2019 - AZ: 8 A 388/18 HAL
    OVG Magdeburg - 19.12.2023 - AZ: 2 L 74/19

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.09.2025 - 7 C 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:110925U7C7.24.0]

Urteil

BVerwG 7 C 7.24

  • VG Halle - 26.02.2019 - AZ: 8 A 388/18 HAL
  • OVG Magdeburg - 19.12.2023 - AZ: 2 L 74/19

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2025 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff, Dr. Löffelbein, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr sowie den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Beigeladenen wird nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts zurückgewiesen. Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt 4/5 der Gerichtskosten des Revisionsverfahrens sowie der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und des Klägers. Der Kläger trägt 1/5 der Gerichtskosten des Revisionsverfahrens und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I

1 Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen eine von dem Beklagten der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schweinemast- und Biogasanlage.

2 Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beantragte am 28. September 2006 die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Haltung von Schweinen mit 20 160 Tierplätzen und einer Anlage zur Aufzucht von Ferkeln mit 7 962 Tierplätzen. Am 15. Januar 2007 erweiterte sie ihren Antrag um die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage unmittelbar südlich der Stallgebäude. Das Vorhaben liegt in X, Ortsteil Y, nahe des FFH-Gebiets "Gewässersystem Annaburger Heide".

3 Mit Bescheid vom 10. August 2009 erteilte der Beklagte die immissionsschutz-rechtliche Genehmigung und ordnete zugleich ihre sofortige Vollziehung an. Anfang 2011 wurde die Genehmigung auf die Beigeladene übertragen. Mit Ergänzungsbescheid vom 30. Mai 2012 nahm der Beklagte in den Genehmigungsbescheid eine zusätzliche Nebenbestimmung zur Ablufthöhe auf; darüber hinaus verlängerte er mehrmals die Frist zur Inbetriebnahme des Vorhabens zuletzt bis zum 31. Dezember 2016. Die Anlage ist zwischenzeitlich errichtet worden und in Betrieb.

4 Die Vorinstanzen wiesen die auf Aufhebung der Genehmigung und deren Ergänzungsbescheide gerichtete Klage zunächst als unzulässig ab. Das Bundesverwaltungsgericht hob unter Zurückweisung der Revision im Übrigen die vorinstanzlichen Entscheidungen mit Urteil vom 28. September 2016 (BVerwG 7 C 1.15 ) auf, soweit sie den Genehmigungsbescheid vom 10. August 2009 betrafen, und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht zurück.

5 Im Anschluss hieran hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Februar 2019 den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 10. August 2009 für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt und die u. a. mit dem Ziel der Aufhebung der Genehmigung erhobene weitergehende Klage im Übrigen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. Dezember 2023 die Berufung der Beigeladenen und die Anschlussberufung des Klägers gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Maßgebend sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigungsentscheidung, sodass in Bezug auf den Habitat- und Biotopschutz die Vorschriften des Naturschutzgesetzes Sachsen-Anhalt anwendbar seien. Die Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes kämen nicht zur Anwendung, da sie nicht zu Gunsten der Beigeladenen wirkten und daher nicht berücksichtigungsfähig seien. Die angefochtene Genehmigung sei rechtswidrig. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung und die Immissionsprognose legten wegen der Beschränkung des Untersuchungsraums auf ein Gebiet mit einem Radius von 1 km um die Anlage sowie der Außerachtlassung des Konzepts der Critical Loads und des absoluten vorhabenbezogenen Abschneidekriteriums für eutrophierende Stickstoffeinträge in Höhe von 0,3 kg N/ha/a einen unzutreffenden Maßstab an. Auch wenn das Abschneidekriterium als Stand von Wissenschaft und Technik von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst nach Genehmigungserteilung im Jahr 2019 anerkannt worden sei, könne dieses bei der Überprüfung der Genehmigung berücksichtigt werden. Eine solche Änderung der fachlichen Erkenntnisse stelle keine bei der Genehmigungsanfechtung irrelevante nachträgliche Verschärfung der Sach- oder Rechtslage dar, sondern es handele sich lediglich um eine spätere Erkenntnis hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage. Darüber hinaus sei auch die für die FFH-Verträglichkeitsprüfung herangezogene Immissionsprognose zu beanstanden, soweit die Stickstoffemissionen des Blockheizkraftwerks der Biogasanlage nicht berücksichtigt seien. Des Weiteren verstoße die Genehmigung gegen die Vorschriften des gesetzlichen Biotopschutzes, weil auch insoweit das Konzept der Critical Loads zur Bestimmung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen hätte herangezogen werden müssen. Die Anschlussberufung des Klägers sei zwar hinsichtlich weiterer materieller Rügen begründet, im Ergebnis aber erfolglos. So erweise sich die Immissionsprognose auch in Bezug auf die Berechnung der Abluftfahnenüberhöhung, den Emissionsminderungsgrad für Ammoniak durch die Folienabdeckung der Gärrestelager und den angenommenen spezifischen Emissionsfaktor für Ferkel als fehlerhaft. Bedenken bestünden auch wegen verschiedener weiterer Ansätze in der Immissionsprognose sowie bezogen auf die FFH-Verträglichkeitsprüfung, soweit das Stillgewässer südöstlich der Anlage in der FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht als LRT 3150 eingeordnet worden sei. Die festgestellten Mängel führten nicht zur Aufhebung der Genehmigung, da sie noch in einem ergänzenden Verfahren behoben werden könnten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Vorhaben auch ohne eine Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG zugelassen werden könne. Die Errichtung und der Betrieb der Anlage stünden dem nicht entgegen. Schließlich könnten die Verstöße gegen Vorschriften des Biotopschutzes in einem ergänzenden Verfahren geheilt und im Zuge dessen insoweit weitere Detailfragen geklärt werden.

6 Nach Zulassung durch das erkennende Gericht haben die Beigeladene ihre Revision mit dem Ziel der Klageabweisung und der Kläger seine Anschlussrevision begründet, mit der dieser die Aufhebung der Genehmigung weiterverfolgt.

7 Die Beigeladene führt zur Begründung ihrer Revision an, das angegriffene Urteil verletze Bundesimmissionsschutzrecht, da das Oberverwaltungsgericht zur Feststellung sämtlicher materieller Fehler auf nachträglich erlangte wissenschaftliche Erkenntnisse zu ihren Lasten abgestellt habe. Lägen im Genehmigungszeitpunkt die Voraussetzungen für ihre Erteilung vor, werde die Genehmigung nicht aufgrund nachträglicher wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse rechtswidrig. Dies ergebe sich vor allem aus dem Verhältnis der §§ 5 und 6 BImSchG zu den Befugnissen nach den §§ 17, 20 und 21 BImSchG, mittels derer die Behörde einer Änderung der Sachlage aufgrund nachträglich eingetretener fachlicher Erkenntnisse Rechnung tragen könne. Mit Blick auf die Immissionsprognose habe zudem die Vorinstanz mit der Annahme einer besonderen örtlichen Lage bei der Beurteilung der Stickstoffemissionen des Blockheizkraftwerks gegen Nr. 4.6.1.1 der TA Luft 2002 verstoßen. In Bezug auf die Prüfung der Einhaltung der Vorgaben des gesetzlichen Biotopschutzes hätte zudem Anhang 9 der TA Luft 2021 mit dem darin enthaltenen Abschneidekriterium angewandt werden müssen, da sich diese Regelung als nachträgliche Änderung zu ihren Gunsten darstelle. Des Weiteren erweise sich die Ablehnung von Beweisanträgen sowie die Nichtberücksichtigung des Berichts über das Monitoring als verfahrensfehlerhaft. Entgegen der mit der Anschlussrevision vertretenen Auffassung des Klägers seien etwaige Fehler in einem ergänzenden Verfahren behebbar.

8 Die Beigeladene beantragt,
die Anschlussrevision zurückzuweisen sowie unter Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2023 die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen, das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 26. Februar 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.

9 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen sowie unter Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2023 die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen, das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 26. Februar 2019 zu ändern und die Genehmigung aufzuheben.

10 Er verteidigt hinsichtlich der Fehler das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend, es komme für die Prüfung der Einhaltung des Habitatschutzes auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und im Übrigen auf die Erkenntnislage zum Zeitpunkt des letzten Fristverlängerungsbescheides an. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung sei auch wegen der unterlassenen Einordnung des Stillgewässers südöstlich der Anlage als LRT 3150 und der festgestellten Beeinträchtigungen des Bitterlings fehlerhaft. Eine Fehlerbehebung in einem ergänzenden Verfahren sei ausgeschlossen und die Genehmigung aufzuheben. Insbesondere könnten der Zustand des Stillgewässers zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung und die seit dem Bau und Betrieb der Anlage eingetretenen vorhabenbedingten Auswirkungen auf dieses Gewässer nicht mehr rückwirkend ermittelt werden.

11 Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt und erachtet die vom Berufungsgericht herangezogenen fachlichen Erkenntnisse als berücksichtigungsfähig.

II

12 Die zulässige Revision der Beigeladenen (unter 1.) und die zulässige Anschlussrevision des Klägers (unter 2.) bleiben ohne Erfolg.

13 1. Die Revision der Beigeladenen ist nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts unbegründet (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht verletzt Bundesrecht, soweit es in dem angefochtenen Urteil nachträgliche fachliche Erkenntnisse bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für berücksichtigungsfähig erachtet und aus diesem Grunde die Immissionsprognose in Bezug auf die Berechnung der Abluftfahnenüberhöhung und den spezifischen Emissionsfaktor für Ferkel als fehlerhaft angesehen hat (a). Demgegenüber liegt kein Verstoß gegen Bundesrecht vor, soweit sich die Beigeladene gegen die Annahme einer besonderen örtlichen Lage im Sinne von Nr. 4.6.1.1 TA Luft 2002 wendet (b) und die Nichtanwendung von Anhang 9 der TA Luft 2021 zu ihren Gunsten im Rahmen der Prüfung des Biotopschutzes rügt (c). Ebenso wenig greifen ihre Verfahrensrügen durch (d). Da die Feststellung der weiteren Fehler der FFH-Verträglichkeitsprüfung, der Immissionsprognose und der Prüfung des Biotopschutzes revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind, beruht das vorinstanzliche Urteil nicht auf dem Bundesrechtsverstoß (e).

14 a) In ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Entscheidung über die Anfechtungsklage eines Dritten - hier eines Umweltverbandes - gegen die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung maßgebend (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 24.16 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 28 Rn. 28; Beschluss vom 11. Januar 1991 - 7 B 102.90 -‌ Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 5 S. 2). Nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage sind bei der gerichtlichen Überprüfung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nur zu Gunsten, nicht aber zu Lasten des Anlagenbetreibers zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 43 m. w. N.). Dem Rechtssatz liegt die aus dem materiellen Recht - insbesondere Art. 14 GG - hergeleitete Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit bzw. Freiheit zur Errichtung immissionsschutzrechtlicher Anlagen nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Genehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (vgl. zum Baurecht: BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 87 S. 43 f. m. w. N.). Der gegen die Genehmigung klagende Dritte wird hierdurch nicht benachteiligt. Zwar wird in diesem Fall dessen Anfechtungsklage gegebenenfalls unbegründet, jedoch kann der Dritte entweder seinen Klageantrag ändern und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Genehmigung beantragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1965 - 4 C 3.65 -‌ BVerwGE 22, 129) oder den Rechtsstreit für erledigt erklären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 1996 - 4 B 54.96 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 132).

15 aa) In Anwendung dieser Rechtssätze ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 10. August 2009 maßgebend ist und dieser Zeitpunkt auch für die Beurteilung der gesetzlichen Vorgaben des Habitat- und Biotopschutzes im Rahmen der Prüfung der "andere[n] öffentlich-rechtliche[n] Vorschriften" im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG Geltung beansprucht, sodass die §§ 45 und 37 NatSchG LSA 2004 zur Anwendung kommen; die erst zum 1. März 2010 in Kraft getretenen §§ 34 und 30 BNatSchG 2009 enthalten wegen des inhaltsgleichen Maßstabs keine Änderungen zu Gunsten des Anlagenbetreibers.

16 Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich kein hiervon abweichender Zeitpunkt für die FFH-Verträglichkeitsprüfung aus § 34 Abs. 1 BNatSchG bzw. Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ‌- FFH-RL - (ABl. L 206 S. 7). Diese Vorschriften verlangen von der Genehmigungsbehörde ebenfalls, sich zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung Gewissheit darüber zu verschaffen, dass aus wissenschaftlicher Sicht keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass das Projekt sich auch im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten nicht nachteilig auf das Gebiet als solches auswirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - NVwZ 2019, 1601 Rn. 21 unter Hinweis auf EuGH, Urteile vom 24. November 2011 ‌- C-404/09 [ECLI:EU:C:2011:768], Kommission/Spanien - Rn. 103 bis 106, vom 17. April 2018 - C-441/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​255], Kommission/Polen -‌ Rn. 114 und vom 7. November 2018 - C-461/17 [ECLI:‌EU:​C:​2018:​883], Holohan u. a. - Rn. 33). Sie schließen weder die Nachholung einer fehlerhaft durchgeführten FFH-Verträglichkeitsprüfung noch die Rücknahme oder den Widerruf einer erteilten Genehmigung unter Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten des Betroffenen wegen Verstößen gegen das Habitatschutzrecht aus (vgl. EuGH, Urteil vom 10. November 2022 - C-278/21 [ECLI:‌EU:​C:​2022:​864], Aqua Pri - Rn. 39 ff. m. w. N.). Diese nach Erteilung der Genehmigung bestehenden Handlungsoptionen lassen hinreichend Raum, im Falle von Änderungen der Sach- und Rechtslage den Belangen des Habitatschutzes Rechnung zu tragen, sodass es keiner Modifizierung des maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts bedarf.

17 Des Weiteren rechtfertigen die ergangenen Fristverlängerungsbescheide für die Inbetriebnahme der Anlage nach § 18 Abs. 3 BImSchG kein Hinausschieben der entscheidungserheblichen Sach- und Rechtslage, da in diesen Fällen die Behörde einen Antrag auf Fristverlängerung nicht in derselben Weise wie einen Antrag auf Neugenehmigung zu prüfen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 7 C 2.10 - Buchholz 406.25 § 15 BImSchG Nr. 8 Rn. 17).

18 bb) Der Rechtssatz des Berufungsgerichts, nachträgliche Änderungen der fachlichen Erkenntnisse stellten keine Verschärfungen der Sach- und Rechtslage dar, sondern könnten als spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage in einem Anfechtungsprozess betreffend eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung berücksichtigt werden, verstößt gegen Bundesrecht. Die Begründung, derartige Erkenntnisse seien wie nachträgliche Entwicklungen in der Rechtsprechung zu behandeln, die keine Änderungen der Rechtslage darstellten und im gerichtlichen Verfahren berücksichtigungsfähig seien, verfängt nicht.

19 (1) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts und einiger anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 6. Oktober 2020 - 1 A 11357/19 - ZNER 2021, 175 Rn. 82; VGH Kassel, Beschluss vom 14. Januar 2021 ‌- 9 B 2223/20 - NVwZ-RR 2021, 293 Rn. 10; OVG Lüneburg, Teilurteil vom 2. September 2022 - 12 LA 56/22 - NdsVBl. 2022, 378 <382>) hat das Bundesverwaltungsgericht einen solchen Rechtssatz nicht aufgestellt, sondern während des gerichtlichen Verfahrens gewonnene neue fachliche Erkenntnisse nur dann bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung für berücksichtigungsfähig erachtet, wenn diese zu Gunsten des Anlagenbetreibers wirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 43). Ebenso wenig ergibt sich dieser Rechtssatz aus dem Urteil vom 29. August 2007, in dem allein die Abgrenzung der "Messung bei der Überwachung der Einhaltung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte" im Sinne der Nr. 6.9 TA Lärm 1998 von einer dem Genehmigungsverfahren zuzurechnenden Messung entscheidend war, die der Klärung der Genehmigungsvoraussetzungen dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 17 und 21; a. A. wohl OVG Münster, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 - ZNER 2010, 514 f.).

20 (2) Eine geänderte Bewertung bei Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung schon vorhandener Tatsachen ist eine nachträgliche Änderung der Sachlage, wenn diese auf neuen fachlichen Erkenntnissen - mithin neuen Tatsachen - beruht. Eine derartige Änderung der Sachlage berührt die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht und kann nur dann in einem Drittanfechtungsprozess berücksichtigt werden, wenn diese zu Gunsten des Anlagenbetreibers wirkt. Dies ergibt sich aus der Konzeption des Bundesimmissionsschutzgesetzes, das als einschlägiges materielles Recht entscheidend für die Bestimmung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage ist (stRspr.; vgl. nur BVerwG, Urteile vom 3. November 1987 - 9 C 254.86 - ‌BVerwGE 78, 243 <244> und vom 29. Mai 2019 - 6 C 8.18 - BVerwGE 165, 251 Rn. 16).

21 Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG eine gebundene Entscheidung, auf deren Erteilung der Antragsteller bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einen Anspruch hat. Sie gestattet die Errichtung und den Betrieb der genehmigten Anlage und stellt zugleich fest, dass die Anlage mit den zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden, zum Prüfprogramm nach § 6 Abs. 1 BImSchG gehörenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist (sog. Feststellungswirkung). Aufgrund der Anknüpfung an den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung erstreckt sich die Feststellungswirkung nicht auf nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage und ist insoweit eingeschränkt (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2023 - 7 C 4.22 - ‌BVerwGE 181, 186 Rn. 18 m. w. N.). Neue Tatsachen, die erst nach der Genehmigungserteilung entstanden sind, können hiernach die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung nicht berühren. Eine im Erlasszeitpunkt rechtmäßig erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung kann wegen ihrer Feststellungswirkung nicht zugleich rückwirkend betrachtet rechtswidrig sein.

22 Neben der Feststellungswirkung sprechen auch die Befugnisse der zuständigen Behörden nach den §§ 17, 20 und 21 BImSchG dagegen, neue fachliche Erkenntnisse in Bezug auf bei Genehmigungserteilung vorliegende Tatsachen in einem Drittanfechtungsprozess berücksichtigen zu können. Obwohl die für die Genehmigungserteilung maßgebenden Betreiberpflichten im Sinne von § 5 BImSchG dynamischer Natur sind (vgl. Jarass, BImSchG, 15. Aufl. 2024, § 5 Rn. 14 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329 <332>) und auch die aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG folgenden Verpflichtungen für den Betrieb der Anlage über den Genehmigungszeitpunkt hinaus einzuhalten sind, hat der Bundesgesetzgeber die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht als Dauerverwaltungsakt ausgestaltet. Er hat vielmehr den zuständigen Behörden mit den Regelungen in den §§ 17, 20 und 21 BImSchG Befugnisse an die Hand gegeben, mit denen sie nachträglichen Änderungen der Sach- und Rechtslage im Bereich der Pflichten des Anlagenbetreibers Rechnung tragen und deren Einhaltung durchsetzen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 7 C 14.08 - NVwZ 2009, 1441 Rn. 22, 24 f. zu §§ 17, 20 und 21 BImSchG). Die vom Erlass nachträglicher Anordnungen bis zum Widerruf der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung reichenden Befugnisse berühren die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung ebenfalls nicht (vgl. Jarass, BImSchG, 15. Aufl. 2024, § 6 Rn. 54 zu § 17 BImSchG). Das gesetzliche Instrumentarium der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit ihrer eingeschränkten Feststellungswirkung einerseits und den Befugnissen der Behörden zur Durchsetzung der Pflichten des Anlagenbetreibers nach Erteilung der Genehmigung andererseits würde durch die Anwendung des vom Oberverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatzes der Berücksichtigungsfähigkeit neuer fachlicher Erkenntnisse bei Drittanfechtungsklagen gegen die Genehmigungserteilung unterlaufen werden. Eine derartige weitergehende Einschränkung der Feststellungswirkung und zugleich Privilegierung des Drittanfechtenden findet im Bundesimmissionsschutzgesetz keine Stütze (ebenso für das Atomrecht: BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1989 - 7 B 188.88 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 31 S. 92, wonach ein Fortschritt von Wissenschaft und Technik nach Erlass einer Genehmigung von einem Dritten nicht im Wege der Anfechtungsklage geltend gemacht werden, sondern unter den Voraussetzungen des § 17 AtG zu nachträglichen Auflagen oder zum Widerruf führen kann).

23 Kein anderes Ergebnis rechtfertigt sich schließlich aus denjenigen bei der Genehmigungserteilung zu beachtenden Tatbestandsmerkmalen wie "schädliche Umwelteinwirkungen" bzw. "erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen" (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG), "Stand der Technik" (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) oder "zu erheblichen Beeinträchtigungen eines ... Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann" (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i. V. m. § 45 Abs. 2 NatSchG LSA 2004), deren Annahme von außerrechtlichen naturschutzfachlichen Kriterien oder sonstigen wissenschaftlichen Erkenntnissen abhängt. Die Behörden sind zwar zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet und gehalten, die jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ermitteln und festzustellen, wenn unterhalb der gesetzlichen Vorgabe keine normativen Konkretisierungen für die fachliche Beurteilung von nach außerrechtlichen naturschutzfachlichen Kriterien zu prüfenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmale bestehen. Fehlt es indes in den einschlägigen Fachkreisen und der einschlägigen Wissenschaft an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die fachliche Beurteilung, stoßen auf der Ebene der Behörden die Amtsermittlungspflicht und in Gerichtsverfahren die gerichtliche Kontrolle des behördlichen Entscheidungsergebnisses mangels besserer Erkenntnis an objektive Grenzen. Weder die Behörde noch das Gericht sind gehalten, das außerrechtliche tatsächliche Erkenntnisdefizit aufzulösen. Sie sind nicht in der Lage, fachwissenschaftliche Erkenntnislücken selbständig zu schließen, und auch nicht verpflichtet, über Ermittlungen im Rahmen des Stands der Wissenschaft hinaus Forschungsaufträge zu erteilen (so für die gerichtliche Kontrolle: BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 ‌- 1 BvR 2523/13 u. a. - BVerfGE 149, 407 Rn. 17 ff.). Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge, die sich auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel nicht ausräumen lassen, stellen kein unüberwindbares Zulassungshindernis dar und stehen der Genehmigungserteilung nicht im Wege (vgl. im Einzelnen dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - ‌BVerwGE 170, 33 Rn. 260).

24 Der Rechtssatz, dass eine geänderte Bewertung bei Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung schon vorhandener Tatsachen eine nachträgliche Änderung der Sachlage ist, wenn diese auf neuen fachlichen Erkenntnissen - mithin neuen Tatsachen - beruht, entspricht schließlich dem Stand der Rechtsprechung zum Widerrufstatbestand des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 36 und vom 19. September 2018 - 8 C 16.17 - BVerwGE 163, 102 Rn. 20; Beschlüsse vom 16. Juli 1982 - 7 B 190.81 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 80 S. 24 f. und vom 27. Mai 2015 - 3 B 5.15 - Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 50 Rn. 12) und im Atomrecht, wonach die Anfechtung einer Genehmigung durch einen Dritten nicht einem Stand von Wissenschaft und Technik zum Durchbruch verhelfen kann, der im Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung, die angefochten wird, noch nicht gegeben war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 1989 - 7 B 188.88 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 31 S. 92).

25 cc) Der gegen Bundesrecht verstoßende Rechtssatz des Berufungsgerichts ist nicht bei sämtlichen festgestellten Fehlern zur Anwendung gekommen.

26 (1) Die FFH-Verträglichkeitsprüfung ist nach dem angefochtenen Urteil ohne Verletzung revisiblen Rechts als fehlerhaft anzusehen, soweit diese in Anwendung des LAI-Abschlussberichts 2006 auf einen Untersuchungsraum von 1 km Radius um die Anlage beschränkt ist und auf einem Abschneidekriterium von 4 kg N/ha/a beruht.

27 Zwar hat das Berufungsgericht seine Auffassung in Anwendung seines gegen Bundesrecht verstoßenden Rechtssatzes zunächst auf nach der Genehmigungserteilung vorliegende neue fachliche und von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebilligte Erkenntnisse gestützt, wonach die Bewertung eutrophierender Stickstoffeinträge bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung mit Hilfe von Critical Loads und einem Abschneidewert in Höhe von 0,3 kg N/ha/a dem Stand der Wissenschaft entspricht. Diese Erkenntnisse - insbesondere der Abschneidewert - ergeben sich aus dem Abschlussbericht des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aus November 2013, dem Aufsatz von Balla u. a. (Stickstoffeinträge in der FFH-Verträglichkeitsprüfung: Critical Loads, Bagatellschwelle und Abschneidekriterium, Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz) aus dem Jahr 2014 sowie dem Stickstoffleitfaden Straße aus dem Jahr 2019 (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 - 7 C 27.17 - BVerwGE 165, 340 Rn. 32) und sind damit als neue fachliche Erkenntnisse einzuordnen.

28 Jedoch hat das Oberverwaltungsgericht diesen Fehler unabhängig davon auch darauf gestützt, dass es dem LAI-Abschlussbericht 2006 an der erforderlichen wissenschaftlichen Fundierung mangelt, weshalb er nicht als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift einzuordnen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2021 - 7 C 9.19 - BVerwGE 171, 140 Rn. 21 ff. zum LAI-Leitfaden 2012), und nach den im Genehmigungszeitpunkt vorliegenden fachlichen Erkenntnissen das Vorgehen der Behörde nicht dem rechtlichen Maßstab für die FFH-Verträglichkeitsprüfung genügt hat. Im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hat nach den Feststellungen im Urteil bereits die Erkenntnis bestanden, dass ein pauschaler Grenzwert als verlässlicher Beurteilungsmaßstab für die jeweils spezielle Empfindlichkeiten aufweisenden FFH-Lebensraumtypen nicht ausreicht, sondern das Konzept der Critical Loads größere Aussagekraft hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 108 unter Hinweis auf die Vollzugshilfe zur Ermittlung erheblicher und irrelevanter Stoffeinträge in Natura 2000-Gebiete des Landesumweltamts Brandenburg, 2005, S. 20) und eine sachgerechte Risikoanalyse und -bewertung einer vorhabenbedingten Zusatzbelastung nicht ohne Berücksichtigung der Vorbelastung erfolgen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 108 f.).

29 (2) Ebenfalls keinen revisionsrechtlichen Bedenken begegnet die festgestellte Fehlerhaftigkeit der Immissionsprognose, soweit darin der Emissionsminderungsgrad für Ammoniak durch die Folienabdeckung der Gärrestelager mit 95 % anstelle der vom Oberverwaltungsgericht für zulässig erachteten 90 % angesetzt ist. Dieser Wert ergibt sich ausweislich der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 71) nicht nur aus der VDI-Richtlinie 3894 Blatt 1, von September 2011 und der Publikation des Umweltbundesamtes, Potenziale zur Minderung der Ammoniakemissionen in der deutschen Landwirtschaft, aus dem Jahr 2020, sondern bereits aus der ebenfalls vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen KTBL-Schrift 447 aus dem Jahr 2006.

30 (3) Unter Verletzung von Bundesrecht hat dagegen das Berufungsgericht die Berechnung der Abluftfahnenüberhöhung in der der FFH-Verträglichkeitsprüfung zugrunde gelegten Immissionsprognose beanstandet, da sie auf einen Bericht von Janicke u. a. zur Weiterentwicklung ausgewählter methodischer Grundlagen der Schornsteinhöhenbestimmung und der Ausbreitungsrechnung nach TA Luft aus April 2017 sowie auf die VDI-Richtlinie 3782 Blatt 3, in der aktualisierten Fassung vom September 2022 Bezug nimmt. Bei den aus diesen Berichten folgenden Angaben zu den Beurteilungsgrundlagen für eine Abluftfahnenüberhöhung handelt es sich um neue fachliche Erkenntnisse, die das Berufungsgericht zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht heranziehen durfte.

31 Anhaltspunkte dafür, dass die Vorinstanz - wie der Kläger meint - die VDI-Richtlinie 3782 nur im Rahmen einer Prüfung zu Gunsten der Beigeladenen herangezogen haben will und es die Abluftfahnenüberhöhung auch aus tatsächlichen Gründen wegen der vorherrschenden Windrichtungen für ausgeschlossen erachtet hat, sind nicht ersichtlich. Bei seinen Erwägungen ist das Berufungsgericht in Anwendung der in den neuen Erkenntnismitteln enthaltenen Berechnungsvorgaben zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Zusammenrechnung der Querschnittsflächen der einzelnen Abluftrohre der Abluftschächte je nach der Zahl der eingeschalteten Lüfter zu einer Gesamtquerschnittsfläche bei der genehmigten Anlage nicht habe erfolgen dürfen, weil die Abluftrohre in den Abluftschächten nicht "kompakt" im Sinne der Richtlinie angeordnet seien. Diese Ausführungen sind entscheidungstragend gewesen, da es zugleich betont hat, dass eine Abluftfahnenüberhöhung bei Tierhaltungsbetrieben ausnahmsweise bei Vorhandensein einer Vielzahl an Kaminen nach den im Genehmigungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisquellen wie dem Leitfaden zur Prüfung und Erstellung von Ausbreitungsrechnungen nach TA Luft 2002 und der Geruchsimmissions-Richtlinie 2008 mit AUSTAL2000 in Betracht gekommen wäre. Vor dem Hintergrund, dass die Immissionsprognose gerade diese Erkenntnismittel als Grundlage für die Abluftfahnenüberhöhung herangezogen hat, ist davon auszugehen, dass sich insoweit die Immissionsprognose - wie auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. Februar 2019 (S. 74 ff.) angenommen hat - als zutreffend erweist.

32 (4) Des Weiteren beruht die Einordnung des in der Immissionsprognose angewandten spezifischen Emissionsfaktors für Ferkel von 0,45 kg/TPa anstelle von 0,5 kg/TPa auf der Verletzung von Bundesrecht, weil dieser Fehler sich aus neuen Erkenntnissen aus der VDI-Richtlinie 3894 Blatt 1, aus September 2011 und aus Anhang 1 Tabelle 11 der TA Luft 2021 ergibt, die nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Anhaltspunkte, dass zu Lasten der Beigeladenen ein Wert von 0,5 kg/TP*a als "richtiger" spezifischer Emissionsfaktor schon im Genehmigungszeitpunkt hätte herangezogen werden müssen, liegen nicht vor.

33 (5) Keine Verletzung von Bundesrecht ist in den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu sehen, soweit es lediglich "Bedenken" in Bezug auf die Einstufung der durch den Umschlag von Gülle, Gärresten und Silage auf dem Betriebsgelände entstehenden diffusen Emissionen als vernachlässigbar geäußert sowie die Annahmen zu den Depositionsgeschwindigkeiten (UA S. 74 f.) und die Nicht-Einstufung des Stillgewässers südöstlich der Anlage als LRT 3150 im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung als "fraglich" erachtet hat. Hierbei handelt es sich um keine entscheidungstragenden Erwägungen.

34 (6) Schließlich berührt der Bundesrechtsverstoß die Feststellung einer Verletzung des gesetzlichen Biotopschutzes nicht, weil das Berufungsgericht zur Begründung dieses Fehlers nicht auf neue fachliche Erkenntnisse abgestellt hat. Es hat zum einen die Anwendung des Abschneidekriteriums des LAI-Papiers von 5 kg N/ha/a ausgeschlossen, weil bei der Prüfung, ob eine erhebliche Beeinträchtigung eines Biotops durch Stickstoffeinträge zu erwarten sei, die Verwendung pauschaler Zuschlagsfaktoren nach dem LAI-Bericht vom 13. September 2006 bei der Berechnung des zulässigen Beurteilungswertes nicht sachgerecht sei. Nach dem LAI-Bericht 2006 werde bei der Ermittlung der die Zuschlagsfaktoren bestimmenden Gefährdungslage eines Biotops für die Schutzkategorie "Lebensraumfunktion" nicht auf das konkret betroffene Biotop abgestellt. Dies verkenne den Maßstab des Biotopschutzes, ob die Zerstörung oder erhebliche Beeinträchtigung eines einzelnen (konkreten) Biotops drohe. An diesen irrevisiblen Maßstab des § 37 Abs. 1 NatSchG LSA 2004, der demjenigen des § 30 Abs. 2 BNatSchG entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2021 - 7 C 9.19 - BVerwGE 171, 140 Rn. 28), ist der Senat gebunden. Zum anderen hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass auch das im LAI-Papier 2006 als "Bagatellprüfung" bezeichnete Abschneidekriterium von 4 kg N/ha/a mit Blick auf das Konzept der Critical Loads zu hoch ist, wobei es ebenfalls - wie bereits dargelegt - anhand von bei Genehmigungserteilung vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen entschieden hat (vgl. zur Empfehlung einer Irrelevanzschwelle für Zusatzbelastungen von 3 % des jeweiligen CL-Wertes zum damaligen Zeitpunkt BVerwG, Urteil vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 94 unter Hinweis auf den Fachvorschlag des Kieler Instituts für Landschaftsökologie, Bewertung von Stickstoffeinträgen im Kontext der FFH-Verträglichkeitsstudie aus Februar 2008 und die auf einem internationalen Workshop vom 18. bis 20. Mai 2009 beruhende Publikation von Uhl u. a., Ermittlung und Bewertung von Wirkungen durch Stickstoffdepositionen auf Natura 2000 Gebiete in Deutschland).

35 b) Ohne Erfolg rügt die Beigeladene eine unzutreffende Anwendung der Nr. 4.6.1.1 TA Luft 2002. Das Oberverwaltungsgericht hat die zugrundeliegende Immissionsprognose wegen Nichtberücksichtigung der Stickstoffemissionen des Blockheizkraftwerks beanstandet. Der Stickstoff-Emissionsmassenstrom des Blockheizkraftwerks unterschreite zwar den in Nr. 4.6.1.1 TA Luft 2002 aufgeführten Wert des Stickstoff-Bagatellmassenstroms; es sei aber wegen der Nähe zum FFH-Gebiet von einer "besonderen örtlichen Lage" im Sinne der genannten Regelung auszugehen, welche die Berücksichtigung auch dieses Emissionsmassenstroms erforderlich mache. Unabhängig davon komme es für die Beurteilung einer möglichen vorhabenbedingten Beeinträchtigung von FFH-Gebieten auf die Emissionen der Gesamtanlage, nicht einzelner Anlagenteile an.

36 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen liegt dem angefochtenen Urteil ein zutreffendes Verständnis der in Nr. 4.6.1.1 Satz 1 Halbs. 2 TA Luft 2002 enthaltenen Ausnahmeregelung zugrunde. Danach ist die Bestimmung der Immissionskenngrößen bei Unterschreiten der in Tabelle 7 festgelegten Bagatellmassenströme nicht erforderlich, "soweit sich nicht wegen der besonderen örtlichen Lage oder besonderer Umstände etwas anderes ergibt". In diesem Sinne ist das Berufungsgericht zutreffend von einer "besonderen örtlichen Lage" ausgegangen, weil sie die Fälle erfassen soll, in denen wegen der topografischen Verhältnisse oder der Umgebung der Anlage ausnahmsweise Emissionen unterhalb der Bagatellmassenströme zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen können. Dies kann etwa bei einer Nähe zu einem Naturschutzgebiet mit empfindlichen Pflanzen oder Tieren oder auch bei einer Nähe zu einem FFH-Gebiet mit seinen Erhaltungszielen der Fall sein.

37 Soweit die Beigeladene demgegenüber auf die Ergänzungen in Nr. 4.6.1.1 Abs. 2 Satz 3 und 4 TA Luft 2021 mit ihren darin enthaltenen Bezugnahmen auf deren Anhänge 8 und 9 verweist, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Ergänzungen in der TA Luft 2021 gegenüber der TA Luft 2002 enthalten weitere Regelungen für den Umgang mit Stickstoffdepositionen bei Unterschreitung des Bagatellmassenstroms hinsichtlich der gegebenenfalls zusätzlich erforderlichen Beurteilung bei Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung bzw. bei der Prüfung, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme gewährleistet ist. Sie setzen aber nicht die Vorgabe außer Kraft, dass nach Nr. 4.6.1.1 Abs. 2 Satz 1 TA Luft 2002 wie auch nach Nr. 4.6.1.1 Abs. 1 Satz 3 TA Luft 2021 bei der Ermittlung des Massenstroms für den jeweils emittierten Schadstoff die Emissionen im Abgas der gesamten Anlage einzubeziehen sind. Diese Regelungen schließen es aus, die von einem einzelnen Anlagenteil ausgehenden Emissionen eines Schadstoffs unter Berufung auf ein Unterschreiten des Bagatellmassenstroms auszunehmen. Gleiches folgt nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil aus dem hier maßgeblichen landesrechtlichen Maßstab des § 45 NatSchG LSA 2004, wonach für die Beurteilung einer möglichen Beeinträchtigung von FFH-Gebieten durch ein Vorhaben auf die Emissionen der Gesamtanlage abzustellen ist. An diese Auslegung irrevisiblen Landesrechts ist der Senat gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 560 ZPO).

38 c) Die Beigeladene vertritt im Ergebnis ohne Erfolg mit ihrer Revision die Auffassung, dass Anhang 9 der TA Luft 2021 eine zu ihren Gunsten wirkende nachträgliche Änderung der Rechtslage darstelle und bei der gerichtlichen Überprüfung der gesetzlichen Vorgaben für den Biotopschutz hätte Anwendung finden müssen, da entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Übergangsregelung in Nr. 8 TA Luft 2021 der Anwendung des Anhangs nicht entgegenstehe.

39 Dem Revisionsvorbringen ist zuzugeben, dass der Verweis des Oberverwaltungsgerichts auf die Übergangsregelung in Nr. 8 TA Luft 2021 gegen die Nichtanwendung des Anhangs 9 der TA Luft 2021 nicht überzeugt. Nach Nr. 8 TA Luft 2021 sollen Genehmigungsverfahren nach den Vorgaben der TA Luft von 2002 zu Ende geführt werden, wenn der Vorhabenträger vor dem 1. Dezember 2021 einen vollständigen Genehmigungsantrag gestellt hat. Diese Übergangsregelung findet in der vorliegenden verfahrensrechtlichen Situation keine Anwendung und kann daher die Berufung der Beigeladenen auf Anhang 9 der TA Luft 2021 nicht ausschließen. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der TA Luft 2021 war das Genehmigungsverfahren bereits nach den Vorgaben der TA Luft 2002 abgeschlossen, sodass sich die Frage der Anwendung der Übergangsregelung nicht stellt.

40 Allerdings ist die Nichtanwendung des Anhangs 9 der TA Luft 2021 aus revisionsrechtlicher Sicht im Ergebnis zutreffend. Auch wenn - insoweit mit dem Berufungsgericht - Änderungen der TA Luft als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift wegen der ihr zukommenden Bindungswirkung für Behörden und Gerichte (zur Bindungswirkung der TA Lärm vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2025 - 7 C 4.24 - NVwZ 2025, 1035 Rn. 9 m. w. N.) wie eine Änderung der Rechtslage zu behandeln sind, scheidet eine Anwendung des Anhangs 9 der TA Luft 2021 im vorliegenden Fall aus. Bei diesem Anhang handelt es sich nicht um eine die Beigeladene in Bezug auf die angefochtene Genehmigung begünstigende Regelung, die nach den eingangs dargestellten Rechtssätzen zu ihren Gunsten bei der gerichtlichen Überprüfung der Genehmigung berücksichtigt werden kann.

41 Anhang 9 der TA Luft 2021 enthält Vorgaben für die Prüfung, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch Stickstoffdepositionen gewährleistet ist. Schon dem Wortlaut des Anhangs lässt sich nicht ohne Weiteres entnehmen, dass der Schutz "empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme" mit den gesetzlichen Vorgaben für den Biotopschutz des § 30 BNatSchG übereinstimmt, der sich nach der Legaldefinition von Biotopen in § 7 Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG auf den Lebensraum einer Lebensgemeinschaft wildlebender Tiere und Pflanzen erstreckt. Auch die Entstehungsgeschichte lässt letztlich offen, ob Anhang 9 der TA Luft 2021 dem gesetzlichen Biotopschutz hat Rechnung tragen wollen. Einerseits ist in der Begründung zur Prüfung in Sonderfällen nach Nr. 4.8 TA Luft 2021 ausgeführt, dass in Bezug auf die Stickstoffdeposition im Anhang 9 "stickstoffempfindliche Biotope" adressiert werden (vgl. BR-Drs. 767/20 S. 468). Andererseits findet der gesetzliche Biotopschutz in der Begründung zu diesem Anhang selbst keine Erwähnung (vgl. BR-Drs. 767/20 S. 471) und ist entgegen der Empfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates (vgl. BR-Drs. 314/1/21 S. 184) auch nicht explizit in die TA Luft 2021 aufgenommen worden (vgl. BR-Drs. 314/21 [Beschluss] S. 113). Vor allem aber ist für das Verständnis von Anhang 9 der TA Luft 2021 von Bedeutung, dass sie im Bereich des Naturschutzrechts allein auf § 54 Abs. 11 BNatSchG beruht, der den Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften nur für den Anwendungsbereich des § 34 BNatSchG, nicht aber für den gesetzlichen Biotopschutz ermöglicht. Angesichts dessen vermag die Prüfung der Gewährleistung des Schutzes vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch Stickstoffdepositionen nach Anhang 9 der TA Luft 2021 eine Prüfung der gesetzlichen Vorgaben des Biotopschutzes nicht zu ersetzen und ist dieser Anhang nicht als Änderung zu Gunsten der Beigeladenen einzuordnen.

42 d) Die von der Beigeladenen erhobene Aufklärungsrüge wegen der aus ihrer Sicht fehlerhaften Ablehnung von Beweisanträgen (aa) und die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtlichen Gehörs (bb) rechtfertigen nicht die Annahme von Verfahrensfehlern.

43 aa) Die ordnungsgemäße Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) setzt nicht nur die substantiierte Darlegung voraus, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche Beweismittel hierfür in Betracht kamen und welche tatsächlichen Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären. Sie verlangt auch die Darlegung, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist bzw. die unterbliebene Beweisaufnahme sich ihm hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2013 - 6 C 23.12 - Buchholz 442.066 § 21 TKG Nr. 4 Rn. 83). Für den Umfang der Sachaufklärungspflicht ist dabei die materiell-rechtliche Auffassung des Tatsachengerichts maßgebend, und zwar selbst dann, wenn diese Auffassung rechtlich bedenklich sein sollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 1985 - 2 C 30.84 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 28 S. 6). Die Ablehnung eines unbedingten Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO erweist sich nur dann als verfahrensfehlerhaft, wenn die Ablehnung - auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Sicht des Tatsachengerichts, selbst wenn sie verfehlt sein sollte - im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. September 2023 - 3 B 44.22 - DVBl 2024, 504 Rn. 25 m. w. N. und vom 9. April 2025 - 7 B 31.24 - juris Rn. 10).

44 (1) Die Anträge der Beigeladenen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die im Genehmigungsverfahren durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung bei der Genehmigungserteilung die besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt hat, bzw. zum Beweis der Tatsache, dass die dem Genehmigungsbescheid zugrunde gelegte Prüfung, ob geschützte Biotope beeinträchtigt sind, den zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden fachlichen Standards entsprach, hat das Berufungsgericht jeweils mit zwei selbständig tragenden Begründungen abgelehnt. Zum einen beträfen die Anträge keine einzelne naturschutzfachliche aufklärungsfähige Tatsachenbehauptung und seien einem Beweis nicht zugänglich. Zum anderen seien die Beweisfragen so allgemein formuliert, dass sie einer Klärung durch einen Sachverständigen kaum zugänglich seien.

45 Mit beiden Begründungen setzt sich die Beigeladene, die die Ablehnung dieser Anträge als verfahrensfehlerhaft erachtet, in ihrem Revisionsvorbringen nicht in der gebotenen Weise auseinander. Sie macht lediglich geltend, es handele sich bei der Frage nach der Existenz anerkannter fachwissenschaftlicher Methoden um eine von der jeweiligen Fachwissenschaft zu beantwortende Tatsachenfrage, die dem Sachverständigenbeweis sehr wohl zugänglich sei. Damit stellt die Beigeladene ihre Ansicht derjenigen des Berufungsgerichts gegenüber, ohne darauf einzugehen, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner insoweit maßgebenden Rechtsauffassung die unter Beweis gestellte Frage als zu allgemein formuliert erachtet und der Stand der Wissenschaft (als Rechtsbegriff) keine einzelne naturschutzfachliche Tatsachenfrage darstellt, die dem Beweis zugänglich ist. Im Übrigen findet die Ablehnung der Beweisanträge eine gesetzliche Stütze. Die Anträge zielen darauf ab, die Auffassung der Vorinstanz in Bezug auf einen von ihr nicht festgestellten Stand der Wissenschaft bzw. fachlichen Standard durch die Einschätzung eines einzelnen Sachverständigen zu ersetzen. Dies ist dem Beweis nicht zugänglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - juris Rn. 62).

46 (2) Soweit die Beigeladene ihre Aufklärungsrüge auf die Ablehnung der klägerischen Beweisanträge Nr. 23 und 25 stützt, genügt eine solche Rüge in Ermangelung einer eigenen Antragstellung im Berufungsverfahren und damit mangels eigener formeller Beschwer nur den Darlegungsanforderungen, wenn die Beigeladene aufzeigt, dass sich der Vorinstanz die unterbliebene Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Das Berufungsgericht hat diese Anträge wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit abgelehnt, weil unabhängig davon, ob die Methode der Critical Loads geeignet und ein Abschneidekriterium von 4 bzw. 5 kg N/ha/a ungeeignet sei, die FFH-Verträglichkeitsprüfung bereits wegen der Beschränkung des Untersuchungsraums auf 1 km Radius um die Anlage und das 4 kg N/ha/a-Kriterium damaligen Maßstäben nicht genügt habe. Die Beigeladene trägt insoweit weder vor, weshalb sich angesichts dieser Feststellungen eine weitere Beweiserhebung dem Gericht hätte aufdrängen müssen, noch legt sie ihrer Darlegung die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zugrunde. Stattdessen rügt sie, dass der rechtlichen Bewertung des Berufungsgerichts ein fehlerhaftes Rechtsverständnis zugrunde liege. Dies genügt den Anforderungen an die Darlegung einer Aufklärungsrüge nicht.

47 bb) Die Rüge der Beigeladenen einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das Berufungsgericht den Bericht über das Monitoring nicht als zu ihren Gunsten einzuordnende nachträgliche fachliche Erkenntnis zur Kenntnis genommen habe, ist ebenfalls erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat den Vortrag der Beigeladenen zum Bericht des Monitorings zur Kenntnis genommen (UA S. 23, 26), aber ersichtlich in Bezug auf die Feststellung der Fehler für nicht entscheidungserheblich gehalten; stattdessen ist es davon ausgegangen, dass die Ergebnisse des Monitorings im ergänzenden Verfahren berücksichtigt werden können (UA S. 83, 89). Damit hat es dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) hinreichend Rechnung getragen, der das Gericht verpflichtet, aus seiner Sicht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich deren Rechtsauffassung anzuschließen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 14. November 2017 - 10 B 4.17 - ZOV 2018, 48 Rn. 10 m. w. N. und vom 10. Juli 2024 - 7 B 15.24 - juris Rn. 2).

48 e) Da - wie ausgeführt - nicht sämtliche vorinstanzlich festgestellten Fehler von dem Bundesrechtsverstoß erfasst werden, beruht das angefochtene Urteil insoweit nicht gemäß § 137 Abs. 1 VwGO auf dieser Verletzung von Bundesrecht.

49 Von einem Beruhen in diesem Sinne ist auszugehen, wenn zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch aus der Perspektive der angefochtenen Entscheidung ein Kausalzusammenhang besteht, d. h. der Entscheidungsausspruch muss auf einer Verletzung materiellen revisiblen Rechts beruhen, ohne die eine andere Entscheidung ergangen wäre (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 137 Rn. 42). Stützt sich die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen, beruht die Entscheidung nur dann auf der Rechtsverletzung, wenn der Rechtsverstoß für jeden der Gründe kausal wird (vgl. Kuhlmann/​Wysk, in: Wysk <Hrsg.>, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 137 Rn. 20). Dies ist hier nicht der Fall, weil die verbliebenen, ohne Bundesrechtsverstoß festgestellten Fehler den auf die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens abzielenden Entscheidungsausspruch der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Genehmigung (§ 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG) tragen. Der Umstand, dass die Feststellung der Fehlerhaftigkeit der Immissionsprognose mit Blick auf die Abluftfahnenüberhöhung und den spezifischen Emissionsfaktor für Ferkel auf der Verletzung von Bundesrecht beruht und diese vorinstanzlich festgestellten Fehler bei dem ergänzenden Verfahren außer Acht zu lassen sind, hat zur Folge, dass die Revision nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts unbegründet ist (§ 144 Abs. 2 VwGO).

50 Soweit die Vorinstanz weitere Fehler in nicht entscheidungstragender Weise lediglich in den Raum gestellt, aber hierauf ihre Entscheidung nicht gestützt sowie weitere Detailfragen der Klärung in einem ergänzenden Verfahren überlassen hat, berührt dieses den Urteilsausspruch ebenfalls nicht. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die Sache insgesamt spruchreif zu machen, wenn Ermittlungen in einem ergänzenden Verfahren ohnehin nachgeholt werden. Erst recht liegt es nicht in seiner Befugnis, die noch ausstehende behördliche Entscheidung an sich zu ziehen, die in einer Bestätigung, Änderung oder Ergänzung, aber auch in einer Aufhebung der Genehmigung bestehen kann (ebenso zum Planfeststellungsrecht BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 107).

51 2. Die Anschlussrevision des Klägers ist erfolglos. Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, es sei nicht ausgeschlossen, dass die ohne Bundesrechtsverstoß festgestellten Fehler in einem ergänzenden Verfahren geheilt werden könnten.

52 a) Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG führt die Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Für den in diesen Fällen gebotenen Ausspruch der Rechtswidrigkeit ist erforderlich, dass die konkrete Möglichkeit der Fehlerbehebung durch Planergänzung oder in einem ergänzenden Verfahren besteht. Dies setzt voraus, dass der Verstoß nicht von solcher Art und Schwere ist, dass er das Vorhaben in seinen Grundzügen bzw. als Ganzes von vornherein in Frage stellt. Die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens kommt ferner nur in Betracht, wenn die Fehlerbehebung in diesem Verfahren nach den Gegebenheiten des konkreten Streitfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint. Es muss sich die konkrete Möglichkeit abzeichnen, dass sich der Mangel in absehbarer Zeit beseitigen lässt. Wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung feststeht, dass eine Beseitigung des Mangels aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf unabsehbare Zeit nicht in Betracht kommt, steht der Genehmigungserteilung ein unüberwindliches Hindernis entgegen, das der Fehlerbehebung in einem ergänzenden Verfahren keinen Raum mehr lässt. Zudem kann die Möglichkeit der Heilung der Verletzung materieller Rechtsvorschriften in einem ergänzenden Verfahren nur dann erfolgen, wenn gerichtlich bereits festgestellt werden kann, dass alle übrigen Voraussetzungen für den Erlass des angefallenen Bescheides erfüllt sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2021 - 7 C 9.19 - BVerwGE 171, 140 Rn. 33 und 37 m. w. N.).

53 b) Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Behebung der Fehler in einem ergänzenden Verfahren nicht von vornherein als ausgeschlossen zu betrachten.

54 aa) Die gerichtliche Überprüfung hat ergeben, dass alle weiteren Voraussetzungen der Genehmigungserteilung vorliegen und sich die Fehler allein auf die Prüfung der anlagebedingt hervorgerufenen Stickstoffdepositionen am Maßstab des Habitat- und Biotopschutzes erstrecken.

55 bb) Ebenso wenig ist das ergänzende Verfahren wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG und Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie aufgrund einer vom Kläger behaupteten Beeinträchtigung des Bitterling-Lebensraums ausgeschlossen. Das Berufungsgericht hat keine solche Beeinträchtigung festgestellt. Es hat insoweit im Zusammenhang mit der Ablehnung des klägerischen Beweisantrags Nr. 24 lediglich darauf abgestellt, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung bereits von einem Vorkommen des Bitterlings in dem Untersuchungsgebiet ausgehe und zu der Frage einer möglichen Beeinträchtigung seines Lebensraums eine plausible sachverständige Stellungnahme des Sachverständigen H. vorliege, sodass es keiner weiteren Beweiserhebung, ob der Lebensraum des Bitterlings beeinträchtigt werden könne, bedürfe. Eine Beeinträchtigung des Bitterlings und seines Lebensraums ist hiermit nicht festgestellt. Nach der von der Vorinstanz herangezogenen Stellungnahme des Sachverständigen können Fische durch toxische Stickstoffverbindungen geschädigt werden, wobei für karpfenartige Fische wie den Bitterling die für Fischbrut toxische Konzentration bei 0,2 mg NH3/l bzw. 0,01 mg NH3/l liege. Muscheln, die für die Fortpflanzung des Bitterlings unerlässlich seien, könnten in gleicher Weise wie Fische durch Stickstoffverbindungen geschädigt werden. Mangels insoweit ausreichender Untersuchung der Vorbelastung im Zuge der FFH-Verträglichkeitsprüfung könnten daher toxische Stickstoffverbindungen nicht in einer dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechenden Weise mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Diese Ausführungen betreffen allein den Maßstab für die Annahme einer Beeinträchtigung des Bitterlings, sie enthalten aber keine positive Feststellung einer anlagebedingten Beeinträchtigung von dessen Lebensraum. Vor diesem Hintergrund ist auch die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts zu sehen, wonach es die Zulassung des Vorhabens am Maßstab von § 34 Abs. 2 BNatSchG auf der Grundlage einer im ergänzenden Verfahren ordnungsgemäß erstellten FFH-Verträglichkeitsprüfung für möglich erachtet.

56 cc) Den Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG steht ebenso wenig entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das im Anschluss an den Bau und die Inbetriebnahme der Anlage zu ihrer Legalisierung durchzuführende ergänzende Verfahren nicht die Gelegenheit bieten darf, das Unionsrecht zu umgehen oder nicht anzuwenden (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-196/16 u. a. [ECLI:EU:C:2017:589], Commune di Corridonie - ‌Rn. 43). Eine Umgehung bzw. Nichtanwendung des Unionsrechts in solchen Fällen ist zum einen wegen der Möglichkeit einer Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes Drittbetroffener ausgeschlossen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Ausspruch der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Genehmigung zwar einen Bau der Anlage nicht mehr rückgängig macht, aber in der Regel den Bau und Betrieb hindert, so den Verstoß gegen das Unionsrecht bis zur Fehlerbehebung wirtschaftlich effektiv sanktioniert und seiner Durchsetzung den nötigen Nachdruck verleiht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2018 ‌- 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 41 f.). Der in diesem Zusammenhang von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Fragen, ob die Vermeidung einer Umgehung des Unionsrechts von einem aktiven Verhalten eines Drittbetroffenen abhängig gemacht werden kann und ob die Rechtswidrigkeitsfeststellung die Einstellung des Betriebs erfordert, bedarf es angesichts dessen nicht, zumal die Behebung von Fehlern der FFH-Verträglichkeitsprüfung in einem ergänzenden Verfahren - wie ausgeführt - in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 10. November 2022 - C-278/21 - Rn. 39 ff.; ebenso BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2018 - 4 C 4.17 - BVerwGE 162, 114 Rn. 43 jeweils m. w. N.).

57 dd) Ebenfalls erweist sich das ergänzende Verfahren nicht als ausgeschlossen, soweit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die dortige Prüfung nicht nur die künftigen Umweltauswirkungen dieser Anlage umfasst, sondern auch die seit deren Errichtung eingetretenen Umweltauswirkungen zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-196/16 u. a. - Rn. 41 und 43). Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Ermittlung der künftigen und insbesondere der seit der Errichtung der Anlage eingetretenen vorhabenbedingten Umweltauswirkungen weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich.

58 Eine solche Unmöglichkeit ergibt sich nicht aus dem maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung einer Entscheidung im ergänzenden Verfahren. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass für das ergänzende Verfahren die aktuellen Verhältnisse maßgebend sind. Der Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung hängt in einem solchen Verfahren maßgeblich von dessen Zielrichtung ab. Beschränkt es sich darauf, einen punktuellen Fehler der früheren Entscheidung zu heilen, so bleibt der Zeitpunkt der ersten Entscheidung maßgeblich. Abweichendes gilt dann, wenn die Behörde ihre Entscheidung im ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse stützt und auf der Grundlage einer Aktualisierung der Beurteilungsgrundlagen eine Neubewertung vornimmt; dann ist insoweit der Zeitpunkt der Aktualisierung maßgeblich. Letzteres gilt insbesondere auch dann, wenn das ergänzende Verfahren - wie hier - zu einem Zeitpunkt durchgeführt wird, zu dem das Vorhaben bereits errichtet ist. In dieser Situation kann eine realitätsnahe und am Zweck der Verlängerungsprüfung ausgerichtete Prüfung der Auswirkungen einer Anlage nicht auf eine gegebenenfalls von den tatsächlichen Gegebenheiten überholte Sachlage gestützt werden (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2021 - 7 C 9.19 - ‌BVerwGE 171, 140 Rn. 36).

59 Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Ermittlung der seit der Inbetriebnahme der Anlage hervorgerufenen Umwelteinwirkungen am Maßstab des Habitatschutzrechts nicht mehr möglich ist. Das Gegenteil zeigt der Kläger mit seiner Anschlussrevision nicht auf. Er verweist insoweit lediglich auf die aus seiner Sicht nicht mehr mögliche Feststellung des Zustands des Stillgewässers südöstlich der Anlage im Zeitpunkt der Inbetriebnahme und behauptet, es sei festgestellt, dass mengenmäßig erhebliche Stickstoffeinträge auf das Stillgewässer und dessen Ufervegetation eingegangen seien, sodass es hinreichende Anhaltspunkte für eine beachtliche Verschlechterung des Zustands des Stillgewässers gebe. Dieser Vortrag verfängt zum einen nicht, weil er in Bezug auf die tatsächlichen, den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts unzutreffend ist. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, dass die Nicht-Einstufung des Stillgewässers als LRT 3150 auf unzureichenden Feststellungen beruht; es hat jedoch nicht positiv auf eine Beeinträchtigung des Stillgewässers durch anlagebedingte Stickstoffeinträge erkannt. Zum anderen ist zu beachten, dass etwaige Kenntnislücken sowohl durch Worst-Case-Betrachtungen als auch durch Risikoanalysen, -prognosen und -bewertungen geschlossen werden können, wenn durch sie ein Ergebnis erzielt wird, das hinsichtlich der untersuchten Fragestellung - hier der Umwelteinwirkungen aufgrund der anlagebedingt hervorgerufenen Stickstoffdepositionen – "auf der sicheren Seite" liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 64). Ferner kommt eine Fehlerheilung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG gerade in Fallgestaltungen in Betracht, in denen eine zuvor durchgeführte "kursorische" Prüfung fehlerhaft war und die zuständige Behörde deshalb zu Unrecht angenommen hat, es lägen keine objektiven Anhaltspunkte für die Gefährdung des Gesetzeszwecks vor. Hieraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, der festgestellte Fehler könne nicht in einem ergänzenden Verfahren geheilt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2021 - 7 C 9.19 - BVerwGE 171, 140 Rn. 34). Dies führt zu der Annahme, dass die konkrete Möglichkeit der Fehlerbehebung in Bezug auf die Stickstoffdepositionen der Anlage im Zusammenhang mit der FFH-Verträglichkeitsprüfung, der Immissionsprognose und der Prüfung der Einhaltung des Biotopschutzes in einem ergänzenden Verfahren besteht.

60 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 155 Abs. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 1980 - 1 B 802.80 - Buchholz 310 § 155 VwGO Nr. 7). Sie erfasst auch die Kosten des Beklagten, obwohl er keinen Antrag gestellt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1993 - 3 C 45.91 - NJW 1994, 3024 <3027>). Bei der Verteilung der Kosten ist zwar zu berücksichtigen, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Genehmigung im Vergleich zu ihrer begehrten Aufhebung nur ein geringfügiges Unterliegen zur Folge hat, weil diese Feststellung einer Aufhebung der Genehmigung praktisch nahekommt (ebenso zum Planfeststellungsrecht VGH Mannheim, Urteil vom 20. November 2018 - 5 S 2138/16 - juris Rn. 318 m. w. N.). Jedoch sind die von der Beigeladenen mit ihrer Revision angefochtene Rechtswidrigkeits- und Nichtvollziehbarkeitsfeststellung und die von dem Kläger mit seiner Anschlussrevision verfolgte Aufhebung der Genehmigung Gegenstand verschiedener Rechtsmittel, sodass eine Quotelung der Kosten von 4/5 zu Lasten der Beigeladenen und zu 1/5 zu Lasten des Klägers geboten ist.